Gerne stehen wir bei Fragen und Streitigkeiten zu diesem Thema zur Seite. Unsere Notare unterstützen Sie bei der Planung, Vorbereitung und Umsetzung erbrechtlicher Regelungen und Vereinbarungen. Bei Beratungsbedarf vereinbaren Sie bitte einen Termin oder schreiben Sie uns eine Nachricht.
1. Allgemeines
Das Erbrecht ist als subjektives Recht das Grundrecht, Verfügungen über das Eigentum oder anderer veräußerbarer Rechte zum Eintritt des eigenen Todes hin zu regeln und andererseits auch Begünstigter solcher Verfügungen zu werden (zu „erben“). Der Begriff Erbrecht bezeichnet im objektiven Sinn auch die Rechtsnormen, die sich mit dem Übergang des Vermögens einer Person (Erblasser) bei ihrem Tod auf eine oder mehrere andere Personen befassen.
Mit dem Tode endet die Rechtsfähigkeit eines Menschen. Nach § 1922 BGB fällt der Nachlass unmittelbar kraft Gesetzes an den Erben oder die gesamthänderisch gebundene Erbengemeinschaft. Erbe wird derjenige, der nach dem Inhalt einer wirksamen Verfügung von Todes wegen das Vermögen als Ganzes oder einen Bruchteil des Vermögens erhalten soll. Fehlt eine Anordnung oder hat der Erblasser nur über einen Bruchteil des Nachlasses verfügt, tritt die gesetzliche Erbfolge ein, die in den § 1924 ff BGB geregelt ist.
Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind gemäß § 1924 BGB insbesondere die Abkömmlinge des Erblassers. Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist gemäß § 1931 BGB neben Verwandten der ersten Ordnung zu 1/4 als gesetzlicher Erbe berufen. Bei gesetzlicher Gütergemeinschaft gilt zudem: Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um 1/4 der Erbschaft erhöht.
2.) Erbrechtliche Regelungen
Als erbrechtliche Regelungen kommen grundsätzlich Bestimmungen über die Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge, Bestimmungen über Einzelzuwendungen, Bestimmungen über die Auseinandersetzung unter mehreren Erben, Bestimmungen über den Pflichtteil, Bestimmungen über die Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen, Bestimmungen über die Zuständigkeit eines Dritten (z.B. Testamentsvollstrecker), Bestimmungen familienrechtlichen Inhalts (z.B. Vormundschaft) sowie Anordnungen, die Rechtsgeschäfte unter Lebenden betreffen (z.B. Widerruf einer Schenkung) in Betracht.
Als Regelungsform kommen grundsätzlich Testament und Erbvertrag in Betracht.
Ein Testament kann öffentlich errichtet oder privatschriftlicher Natur sein. Das ordentliche öffentliche Testament wird zur Niederschrift eines Notars errichtet. Ferner kommen noch die Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift mit der Erklärung, dass diese den letzten Willen enthalte, in Betracht. Die Niederschrift wird auf Veranlassung des Notars in besondere amtliche Verwahrung gebracht (Nachlassgericht).
Die Vorteile des öffentlichen gegenüber dem eigenhändigen Testament stellen sich aus diesseitiger Sicht wie folgt dar:
Aufgrund der amtlichen Verwahrung ist die Gefahr des Verlustes, des Beiseiteschaffens oder späterer Verfälschung nahezu ausgeschlossen. Das Standesamt des Geburtsortes des Erblassers ist von der erfolgten Verwahrung zu benachrichtigen. Es verständigt seinerseits das Gericht vom Tod des Erblassers. Dadurch wird sichergestellt, dass das Testament eröffnet wird.
Die Rechtsberatung bei der Abfassung des Testamentes erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Wille des Erblassers in die richtige Form gebracht wird.
Weiter werden den Erben durch das notarielle Testament in der Regel die Kosten für einen Erbschein erspart. Vielfach genügt es im Gegensatz zum eigenhändigen Testament zum Nachweis des Erbrechts, so in aller Regel gegenüber dem Grundbuchamt bei Eintragungen im Grundbuch oder gegenüber dem Registergericht bei der Eintragung der Rechtsnachfolge im Handelsregister. Auch gegenüber Banken und Sparkassen kann der Nachweis der Verfügungsberechtigung des Erben nach dem Tode des Bankkunden durch die Vorlage einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift der letztwilligen Verfügung nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift geführt werden.
In Betracht kommt hier insbesondere ein gemeinschaftliches Ehegattentestament. Ehegatten sehen ihr Vermögen häufig als Einheit an. Diese soll auch nach dem Tod des Erstversterbenden nicht aufgelöst werden. Vielmehr soll das Vermögen erst nach dem Tode des überlebenden Ehegatten an Dritte - zumeist Kinder - fallen. Beabsichtigen Ehegatten durch die erbrechtliche Verfügung sich gegenseitig als Erben und einen Dritten (meinst die Kinder) als Erben des Überlebenden einzusetzen, stehen ihnen grundsätzlich zwei rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten offen:
- Das Trennungsprinzip: Jeder Ehegatte setzt den anderen zum Vorerben und einen Dritten zum Nacherben ein; ferner ist der Dritte Ersatzerbe für den Fall, dass der andere Ehegatte vorverstirbt;
- Das Einheitsprinzip: Jeder Ehegatte setzt den anderen zum (Voll-) Erben ein und den Dritten zum Erben des Überlebenden. Damit ist der Dritte zugleich Ersatzerbe für den Fall des eigenen Überlebens. Diese Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Testamentes wird oftmals als " Berliner Testament " bezeichnet.
Denkbar wäre daneben auch eine Gestaltung, die den Dritten als (Voll-) Erben des Erstversterbenden einsetzt und dem Überlebenden den Nießbrauch am Nachlass im Wege des Vermächtnisses zuwendet. Hierbei wird der Überlebende folglich nicht Erbe.
Rechtsfolgen aus der Differenzierung zwischen Trennungs- und Einheitsprinzip ergeben sich aus der unterschiedlichen Verfügungsbefugnis des Überlebenden:
Bei Trennungsprinzip unterliegt der überlebende Ehegatte den Verfügungsbeschränkungen eines Vorerben (§§ 2112 f BGB). Obwohl der Vorerbe auf Zeit Inhaber aller Sachen und Rechte des Nachlasses ist, bleibt das Ererbte ein von seinem eigenen Vermögen zu unterscheidende Sondervermögen, das gewissen Verfügungsbeschränkungen und Verwaltungspflichten unterworfen ist. Soweit der Erblasser nicht von der Möglichkeit der Befreiung nach den §§ 2136, 2137 BGB Gebraucht gemacht hat, kann der Vorerbe über Grundbesitz, Hypothekenforderungen und Grund- und Rentenschulden nur mit Zustimmung des Nacherben verfügen. Das gleiche gilt für unentgeltliche Verfügungen. Hiervon ausgenommen sind bloße Pflicht- und Anstandsschenkungen. Des Weiteren ist der Vorerbe bezüglich der Anlegung von Geld auf eine mündelsichere Anlage beschränkt, hat auf Verlangen des Nacherben Wertpapiere zu hinterlegen und ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände anzulegen. Schließlich muss er über den Bestand der Erbschaft Auskunft geben. Wirtschaftlich stellt sich der nicht befreite Vorerbe daher nicht wesentlich besser als ein bloßer Nutzungsberechtigter.
Nach § 2136 BGB kann der Erblasser den Vorerben von einigen dieser Beschränkungen befreien. Jedoch unterliegt auch der befreite Vorerbe dem Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB und der Pflicht zur Errichtung eines Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB. Weiterhin sind das Prinzip der dinglichen Surrogation (§ 2111 BGB) und die Vollstreckungsbeschränkungen des § 2115 BGB anwendbar. Eine gegenständlich beschränkte Vorerbschaft ist zwar nicht zulässig, eine völlig freie Verfügungsbefugnis hinsichtlich einzelner Gegenstände könnte aber dadurch erreicht werden, dass sie dem Vorerben als Vorausvermächtnis zugewendet werden.
Beim Einheitsprinzip kann der überlebende Ehegatte auch über den Nachlass des Erstversterbenden frei verfügen.
Auch für den bedachten Dritten ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen:
Beim Trennungsprinzip erwirbt er mit dem Tode des Erstversterbenden eine - grundsätzlich veräußerliche und vererbliche - Anwartschaft.
Beim Einheitsprinzip erwirbt er zu diesem Zeitpunkt nichts.
Ist der Dritte gemäß § 2303 BGB pflichtteilsberechtigt, kann er nach dem Tode des erstverstorbenen Ehegatten beim Trennungsprinzip aufgrund der Anwartschaft nur dann den Pflichtteil verlangen, wenn er die Nacherbschaft ausschlägt.
Beim Einheitsprinzip kann er den Pflichtteil ohne Ausschlagung verlangen, da er beim Tod des Erstversterbenden nichts erhält. Somit wäre er beim Tod des Zuletztversterbenden Erbe und käme erneut in den Genuss des Nachlasses des Erstverstorbenen.
Um die hieraus folgende rechnerische Ungerechtigkeit zu vermeiden, empfiehlt es sich im Falle der Pflichtteilsforderung den übrigen Kindern aus dem Vermögen des erstversterbenden Gatten entsprechende Vermächtnisse zuzuwenden. Da der Überlebende jedoch nicht mit diesem Vermächtnis belastet werden soll, ist es bis zu seinem Tod aufzuschieben. Es wird in der Regel der Anfall der Vermächtnisse aufschiebend befristet auf den Tod des Längstlebenden angeordnet.
Oftmals findet vorsorglich für diese Fälle auch eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel Verwendung. Es wird dadurch versucht, die Geltendmachung des Pflichtteils, die jedenfalls beim ersten Erbfall nicht erwünscht ist, möglichst unattraktiv zu machen. In der Regel findet hier eine Klausel Verwendung, bei der der Abkömmling, der nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil gegen den Willen der Eltern geltend macht, von der Schlusserbfolge automatisch ausgeschlossen wird. Der dadurch frei werdende Erbteil wächst in der Regel den übrigen Erben an.
Eine vollständige Absicherung der Testierenden vor der Geltendmachung ungewünschter Pflichtteilsansprüche kann darüber hinaus durch einen sogenannten Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen dem jeweiligen Erblasser und den etwaigen Pflichtteilsberechtigten erfolgen. Oftmals erfolgt eine solche Gestaltung auch im Zuge von lebzeitigen Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Ein entsprechender Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung.
Im Übrigen sichert das Pflichtteilsrecht als solches einer kleinen Gruppe von Angehörigen des Erblassers (Abkömmlinge, Ehegatte, Eltern) eine wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass. Der Pflichtteil besteht gemäß § 2303 BGB in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteiles.
Als anderes erbrechtliches Gestaltungsmittel kommt grundsätzlich der Erbvertrag in Betracht. Der Erbvertrag ist die vertragsmäßig erfolgte Erbeinsetzung und die vertragsmäßige Anordnung von Vermächtnissen sowie Auflagen. Anderen Verfügungen können vertragsgemäß nicht getroffen werden.
Begünstigter der vertragsmäßigen Verfügung kann sowohl der Vertragspartner als auch ein nicht am Vertrag beteiligter Dritter sein. Der Erbvertrag hat insoweit eine Doppelnatur als Vertrag und Verfügung von Todes wegen.
Der Erblasser, der mit einem anderen einen notariellen Erbvertrag geschlossen hat, ist an die in dem Vertrag enthaltenen vertragsmäßigen Verfügungen gebunden. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Anfechtungs- oder Aufhebungsgrund vorliegt oder der Erblasser sich den Rücktritt vorbehalten hat. Bei lediglich einseitigen Verfügungen tritt keine Bindungswirkung ein; diese können durch Testament frei widerrufen werden.
Durch den Erbvertrag wird also eine höhere sofortige Bindungswirkung der am Vertrag Beteiligten erreicht. Andererseits kann auf spätere Entwicklungen nur unter Einbeziehung sämtlicher Vertragsbeteiligter reagiert werden. Diese grundsätzliche Bindungswirkung kann durch einige Gestaltungsmittel wie beispielsweise Änderungs- oder Rücktrittsvorbehalte gemindert werden. Für den Erbvertrag ist die Form des öffentlichen Testaments vorgeschrieben. Er kann also nur zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen werden.
3.) Erbrechtsreform 2010
Lange hat es gedauert. Am 18. September 2009 hat der Bundesrat das vom Bundestag am 2. Juli 2009 beschlossene Gesetz gebilligt. Damit wird nun endlich das lange erwartete Gesetz zur Änderung des Erbrechts und des Verjährungsrechts mit Wirkung ab 1.Januar 2010 umgesetzt. Kernpunkte der wesentlichen Änderungen des Erbrechts ab 2010 sind: Pflegeleistungen (Pflege von Eltern und Großeltern) werden im Erbrecht besser berücksichtigt. Die Gründe für eine Entziehung des Pflichtteils werden vereinheitlicht und angepasst. Die Verjährung familien- und erbrechtlicher Ansprüche wird auf die Regelverjährung von 3 Jahren (mit wenigen Ausnahmen) angepasst.
a) Ausgleich für Pflegeleistungen
Nicht zuletzt als eine flankierende Maßnahme zur Abmilderung des Pflegenotstandes ist die Erweiterung des Anspruchs auf Geld aus dem Erbe zu sehen, wenn Pflegeleistungen von Angehörigen erbracht werden. Da die meisten der auf Pflege angewiesenen Personen im Haushalt versorgt werden, werden die Pflegeleistungen von Angehörigen besser als bisher berücksichtigt. Zu den Angehörigen gehören aber nicht pflegende Schwiegertöchter und -söhne.
Nach bisherigem Erbrecht haben nur Kinder, die ihre Eltern gepflegt haben, einen Anspruch auf Geld aus dem Erbe. Weitere Voraussetzung: Der bisher ausgeübte Beruf wurde in der ursprünglichen Form aufgegeben. Das neue Erbrecht sieht vor, dass jeder gesetzliche Erbe einen Ausgleich für Pflegeleistungen erhalten kann. Dabei ist es nicht mehr Voraussetzung, dass auf eine eigene Berufstätigkeit verzichtet wird. Ab 2010 hat jeder gesetzliche Erbe einen Anspruch auf ein höheres Erbteil, wenn er entsprechende Pflegeleistungen erbracht hat, und zwar unabhängig davon, ob der Erbe dafür seinen Beruf aufgibt oder nicht. Dies ist ist letztlich auch gerecht, weil so auch die pflegende Person einen Ausgleichsanspruch erhält, die eine Doppelbelastung von Beruf und häuslicher Pflege in Kauf nimmt.
Beispiel: Die verwitwete kinderlose Erblasserin wird von ihrer nicht berufstätigen Schwester gepflegt. Der Bruder kümmert sich nicht. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 100.000 Euro. Die Pflegeleistungen sind mit 20.000 Euro zu bewerten. Derzeit erben die Schwester und der Bruder je zur Hälfte. Ab 2010 kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Von dem Nachlass wird zugunsten der Schwester der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt (100.000–20.000 = 80.000). Von den 80.000 Euro erhalten beide die Hälfte. Im Ergebnis erhält die Schwester also 60.000 Euro.
b) Kriminelle Verwandte - Pflichtteilentziehung
Das Pflichtteilsrecht schützt Abkömmlinge und Eltern sowie Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern des Erblassers, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil besteht generell in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Nach bisherigem Recht konnte ein Erblasser in seinem Testament einen Angehörigen nur enterben, der ihm, seinem Ehegatten und leiblichen Kindern nach dem Leben getrachtet oder körperlich schwer misshandelt hat. Dieser Tatbestand wird erweitert. So liegt künftig auch ein Enterbungsgrund vor, wenn ein Pflichtteilsberechtigter nahe stehenden Personen (z.B. Lebenspartner, Pflege- oder Stiefkindern) nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt.
Beispiel: Wird der langjährige Lebensgefährte der Erblasserin durch ihren Sohn getötet oder die Tochter des Erblassers durch seinen Sohn körperlich schwer misshandelt, rechtfertigt dies künftig eine Entziehung des Pflichtteils. Der bisher geltende Entziehungsgrund eines "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" entfällt. Zum einen gilt er nach bisherigem Recht nur für Abkömmlinge, nicht aber für die Entziehung des Pflichtteils von Eltern und Ehegatten. Zum anderen hat er sich als zu unbestimmt erwiesen. Das bedeutet aber auch, dass ein Erbe nicht mehr leer ausgehen wird, weil er "einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel" führt.
Stattdessen berechtigt ab dem Jahr 2010 eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils. Zusätzlich muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen.
c) Schenkung zu Lebzeiten - Pflichtteilsergänzungsanspruch
Aus verschiedenen Gründen werden schon zu Lebzeiten größere Vermögenswerte an einzelne Erben oder Dritte verschenkt. Der so genannte Pflichtteilsergänzungsanspruch stellt sicher, dass Pflichtteilsberechtigte dabei nicht zu kurz kommen. Durch den Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre. Das bisherige Erbrecht setzte hier der Testierfähigkeit des Erblassers eine enge Grenze, weil die Schenkung in voller Höhe berücksichtigt wurde. Der Erblasser erhält jetzt nach dem Abschmelzungsmodell mehr Freiräume, um über seinen Nachlass zu bestimmen. d) Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch
Nach bisherigem Recht konnte der Pflichtteilberechtigte über einen Zeitraum bis zu 10 Jahren verlangen, dass das verschenkte Vermögen in die Berechnung des Nachlasses einfließt. Der Beschenkte muss den Pflichtteil unter Berücksichtigung des geschenkten Vermögens in voller Höhe auszahlen. Die Reform im Erbrecht sieht nun ab 2010 vor, dass die Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs graduell immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zeitlich zurückliegt (Abschmelzungsmodell oder Pro-Rata-Regelung).
Beispiel: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird dann voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt. Sind seit der Schenkung allerdings 10 Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Dies gilt auch, wenn der Erblasser nur einen Tag nach Ablauf der Frist stirbt.
Schenkungen unter Ehegatten: Ehegattenschenkungen sind gesondert zu behandeln. Sie sind faktisch gegenüber Schenkungen an Dritte schlechter gestellt. Bei einer Ehegattenschenkung beginnt die 10-Jahres-Frist - und damit auch die Abschmelzung des Wertes der Schenkung - erst mit Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod.
e) Stundung bei Auszahlung Pflichtteil
Die Auszahlung des Pflichtteils ist grundsätzlich sofort fällig. Die bisher geltende Stundungsregelung ist sehr eng ausgestaltet und greift nur bei pflichtteilsberechtigten Erben (z.B. Kinder, Ehegatte). Die Stundung bei Auszahlung des Pflichtteils wird durch die Erbrechtsreform erweitert und ist dann für jeden Erben durchsetzbar.
Vorteil: Wer zum Beispiel Miterben von Immobilien oder Unternehmen nicht sofort auszahlen kann, darf auf erweiterte Stundungsregelungen hoffen. Damit soll ein "Zwangsverkauf" der Immobilie oder des Unternehmens bzw. eine große Schuldenaufnahme weitgehend vermieden werden, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Nach bisherigem Recht war als Voraussetzung für eine Stundung eine "ungewöhnliche Härte" erforderlich. Jetzt gilt als Voraussetzung nur noch eine "unbillige Härte". Das Interesse des Pflichtteilsberechtigten ist dabei "angemessen zu berücksichtigen". Auf die Zumutbarkeit der Stundung aus dem Blickwinkel des Pflichtteilsberechtigten wird aber nicht mehr abgestellt.
Beispiel: Ab 2010 kann auch der Neffe, der ein Unternehmen geerbt hat, eine Stundung gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern geltend machen, sofern die Erfüllung des Pflichtteils eine "unbillige Härte" darstellen würde.
Fazit: Das neue Erbrecht erfüllt zwar nicht alle Erwartungen aber zumindest ist es noch kurz vor der Sommerpause und der Bundestagswahl beschlossen worden. Insbesondere das Abschmelzungsmodell bei Schenkungen führt zu mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten. Die Regelungen im neuen Erbrecht gelten für alle Erbfälle ab dem 1.1.2010, auch wenn sie an Sachverhalte aus der Zeit vor dem 1. Januar 2010 anknüpfen.
4.) Pflichtteil: Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es?
Prinzipiell ist ein privatschriftliches Testament ebenso wirksam wie ein notarielles. Es fehlt jedoch die Beratung über notwendige Inhalte und Formulierungen – gerade auch im Hinblick auf mögliche Pflichtteilsansprüche. Die Angst vor zusätzlichen Kosten ist meist insoweit unbegründet, als bei einem privatschriftlichen Testament später, dh. nach dem Todesfall, entsprechende Kosten für den Erbschein anfallen, der im Falle eines notariellen Testaments entbehrlich ist.
a) Falsche Vorstellungen vom Erbrecht?
Schließlich bestehen insbesondere im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht vielfach falsche Vorstellungen vom gesetzlichen Erbrecht wie folgt:
- Kinderlose Ehegatten aber auch Ehegatten mit einem Kind gehen oft davon aus, dass der längstlebende Ehegatte automatisch, d.h. gesetzlich Alleinerbe ist. Tatsächlich steht der Ehegatte ggf. in Erbengemeinschaft mit den einseitigen oder gemeinsamen Kindern.
- Ehegatten, die sich gegenseitig zum alleinigen Erben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzen, ist schwer zu vermitteln, dass die Kinder beim Tode des Erstversterbenden von dem Längstlebenden den Pflichtteil verlangen können. Die Gütertrennung führt zu einer höheren Pflichtteilsquote beim Vorhandensein von mehr als einem Kind.
- Dem Erblasser ist häufig nicht bekannt, dass er zwar die Personen, die gesetzliche Erben sind, insbesondere den Ehegatten und die Kinder, ohne jede Voraussetzung enterben kann, ihnen aber das Pflichtteilsrech bleibt. Auch ein persönliche Zerwürfnis ist kein Grund zur Entziehung des Pflichtteils. Nur in äußert selten Ausnahmefällen wird ein Grund zur Entziehung des Pflichtteils gesetzlich gegeben sein.
- Die Höhe des Pflichtteils (Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils) ist nicht bekannt, ebenso, dass der Pflichtteilsanspruch erst mit dem Erbfall entsteht (also nicht bereits zu Lebzeiten geltend gemacht werden kann) und auf Zahlung von Geld gerichtet ist. Oftmals ist unbekannt, dass der Berechtigte seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, ihn aber nicht geltend machen muss. Haben Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, ein Kind und setzen Sie sich gegenseitig zum Alleinerben ein, so kann das Kind von dem längstlebenden Ehegatten den Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils verlangen. Gesetzlich ist das Kind zur Hälfte der Erbschaft berufen, so dass sein Pflichtteil ¼ des Wertes des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls ausmacht. Sind zwei Kinder vorhanden, wären sie nach der gesetzlichen Erbfolge zu je ¼ Anteil berufen,
- jedem Kind steht daher ein Pflichtteil in Höhe von 1/8 des Wertes des Nachlasses des Erblassers zu. Haben die Ehegatten Gütertrennung vereinbart und ist ein Kind vorhanden, beträgt sein Pflichtteil unverändert ¼ des Nachlasses. Sind dagegen zwei Kinder vorhanden, beträgt das Pflichtteilsrecht für jedes Kind 1/6, bei drei Kinder je 1/8 des Nachlasses. Die Gütertrennung führt also bei Vorhandensein von zwei oder mehr Kindern nicht nur zu einem höheren gesetzlichen Erbteil der Abkömmlinge, sondern entsprechend auch zu einer höheren Pflichtteilsquote. Ist die Ehe kinderlos, steht den Eltern ein Pflichtteil zu (jedoch nicht deren Abkömmlingen, d.h. den Geschwistern des Erblassers). Da der überlebende Ehegatte neben den Eltern des Erblassers gesetzlich zu ¾ (bei Zugewinngemeinschaft) berufen ist, beträgt der Pflichtteil 1/8 des Nachlasses.
- Den Eltern des Erblassers steht das Pflichtteilsrecht nur zu, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge hat. Hat der Erblasser keine Abkömmlinge, steht den Geschwistern nach dem Tode der Eltern kein Pflichtteilsrecht zu.
- Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben, die bis zur Auseinandersetzung, also bis zur Realteilung des Nachlasses, über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen können und den Nachlass bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsam verwalten. Will der Erblasser bestimmte Nachlassgegenstände einem Erben zuweisen, muss er dies durch letztwillige Verfügung anordnen (z.B. Vermächtnis). Eine gegenständliche Vererbung ist ausgeschlossen.
b) Was ist „der Pflichtteil“ überhaupt?
Der Pflichtteil als Mindestbeteiligung am Nachlaß ist ein reiner Geldanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Nachlaß.
c) Wem steht dieser Anspruch zu?
Der Pflichtteil steht nur den nächsten Angehörigen zu. Dies sind
- Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel, nichteheliche Kinder, adoptierte Kinder; entfernte Abkömmlinge, z.B. Enkel, sind nur berechtigt, wenn nähere Abkömmlinge nicht mehr vorhanden sind).
- Ehegatten, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die Ehe noch wirksam bestand.
- Eltern, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.
- Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
- Geschwister und Großeltern des Erblassers sind nicht pflichtteilsberechtigt
d) Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteilsanspruch besteht in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Somit ist zunächst der gesetzliche Erbteil zu ermitteln. Bei der Berechnung des Pflichtteils sind alle Verwandten zu berücksichtigen, die aufgrund von Erbunwürdigkeit, Ausschlagung oder Enterbung von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind (vgl. § 2310 BGB), nicht jedoch diejenigen, die Aufgrund Erbverzichts nicht Erbe geworden sind.
e) Wie schließe ich Pflichtteilsansprüche aus?
Die drei gängigsten Möglichkeiten sind:
- Schenkung zu Lebzeiten
- Pflichtteilsverzicht
- Pflichtteilsstrafklausel
Daneben bestehen weitere Möglichkeiten.
Durch lebzeitige Übertragungen – ggf. unter Vorbehalt von Nutzungs- (Nießbrauch) oder Wohnungsrechten – kann das Vermögen bis zum Todeszeitpunkt und damit die Berechnungsgrundlage für Pflichtteilsansprüche reduziert werden. Zudem können so Steuerfreibeträge ausgenutzt werden, um eine eventuell anfallende Erbschaftssteuer zu reduzieren. Zu beachten sind aber etwaige Ergänzungsansprüche (s.o.).
Der Erblasser will vermeiden, dass durch das Pflichtteilsrecht seine Nachfolgeplanung beeinträchtigt wird. So kann z.B. der Unternehmer mit den betreffenden Pflichtteilsberechtigten oder der Erblasser mit Kindern aus erster Ehe bzw. nicht ehelichen Kindern einen Pflichtteilsverzicht vereinbaren. Auch bei Ehegatten mit gemeinsamen Kindern, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen wollen, kommt für den ersten Erbfall ein Pflichtteilsverzicht in Betracht: Wollen die Ehegatten ausschließen, dass Abkömmlinge von dem Längstlebenden ihren Pflichtteil aus dem Nachlass des Erstversterbenden verlangen, kann mit Ihnen ein Vertrag geschlossen werden, in dem diese auf ihren Pflichtteil nach dem erstversterbenden Elternteil verzichten.
Er bedarf der notariellen Beurkundung. Der Pflichtteilsverzicht kann mit oder ohne Abfindung vereinbart werden und setzt in der Regel voraus, dass die Verzichtenden volljährig sind, da andernfalls die notwendige vormundschaftsgerichtliche Genehmigung kaum zu erhalten sein wird. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag kann auch gegenständlich beschränkt werden. Ehegatten mit Kindern wollen sich gegenseitig zu Erben einsetzen und ihre Kinder möglichst davon abhalten, nach dem Tode des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Ein Pflichtteilsverzicht lässt sich jedoch nicht erreichen. Hier kann verfügt werden, dass dasjenige Kind, das beim ersten Erbfalls Pflichtteilsansprüche geltend macht, beim zweiten Erbfall enterbt wird bzw. werden kann. Zugunsten der anderen Kinder, die keinen Pflichtteil geltend gemacht haben, können entsprechend bedingte Vermächtnisse ausgesetzt werden nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“.
Ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling soll eine Zuwendung erhalten, die auf ein etwaiges Pflichtteilsrecht im Erbfall anzurechnen ist. Eine Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil erfolgt nur, wenn diese bei Vornahme der Zuwendung ausgesprochen wurde, was auch formlos geschehen kann. Der Ausspruch sollte ggf. beweisbar sein. Eine nachträgliche Pflichtteilsanrechnung setzt dagegen die Mitwirkung des Betroffenen und die Einhaltung der Beurkundungsform voraus. Der Erblasser ist in zweiter Ehe verheiratet und hat ein Kind aus erster Ehe und zwei Kinder aus der zweiten Ehe. Im Ehevertrag der zweiten Ehe wurde Gütertrennung vereinbart. Wenn sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzen, beträgt die Pflichtteilsquote des Kindes aus erster Ehe 1/6. Wird dagegen der gesetzliche Güterstand vereinbart (ggf. mit Ausschluss des Zugewinnausgleichs im Scheidungsfall) beträgt die Pflichtteilsquote des Kindes aus erste Ehe nur 1/8. Der Pflichtteilsberechtigte hat dem Erblasser nach dem Leben getrachtet, ihn vorsätzlich körperlich misshandelt oder sich ihm gegenüber eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens schuldig gemacht. Nach der gesetzlichen Neuregelung sind weitere Tatbestandsmaerkmale hinzu gekommen (s.o.). Hier kann bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen durch Verfügung von Todes wegen der Pflichtteil entzogen werden.
Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht
Ein Abkömmling des Erblassers ist überschuldet und die Substanz der Erbschaft soll zugunsten der gesetzlichen Erben des Abkömmlings erhalten werden. Hier kommt die Einsetzung des Erben nur zum Vorerben und die Einsetzung der gesetzlichen Erben des Letzteren als Nacherben unter gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung in Betracht. Auf diese Weise werden Pflichtteilsansprüche vermieden und das Vermögen zugunsten der Nacherben geschont. Der Vorerbe erhält das Vermögen zunächst als Sondervermögen, welches im Falle seines Todes an die Nacherben durchgereicht wird.
Ertragswertanordnung bei Landgütern oder nach Höferecht
Der Landwirt möchte erreichen, dass einer seiner Abkömmlinge den landwirtschaftlichen Betrieb fortführen kann, ohne durch das Pflichtteilsrecht der weichenden Erben übermäßig belastet zu werden. Hier kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zum Zwecke der Pflichtteilsreduzierung eine Ertragswertanordnung erfolgen, wonach für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nicht der Verkehrswert, sondern der niedrigere Ertragswert maßgeblich ist. Handelt es sich um ein Hof im Sinne der Höfeordnung, können deren Möglichkeiten genutzt werden, die ebenfalls zu einer Reduzierung möglicher Pflichtteilsansprüche führen.
Anordnung einer Vor-/Nacherbschaft oder eines Vor-/Nachvermächtnisses
Ehegatten mit Kindern aus erster Ehe wollen sich gegenseitig bedenken. Jedoch sollen die erstehelichen Kinder des Längerlebenden nicht über ihr Pflichtteilsrecht am Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten teilhaben. Hier können sich die Ehegatten gegenseitig zu Vorerben und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben einsetzen. Da der Vorerbe das Nachlassvermögen nur als Sondervermögen erhält und dieses ggf. an den Nacherben durchgereicht werden muss, partizipieren einseitige Kinder nicht an diesem Vermögen, sondern nur am eigenen Vermögen des jeweiligen Elternteils. Denkbar ist auch, dass der Erblasser verhindern will, dass der geschiedene Ehegatte nach den gemeinsamen Kindern über sein Pflichtteilsrecht am Nachlass partizipiert. Hier können die Kinder – ggf. zeitlich beschränkt oder auflösend bedingt durch Geburt eigener Kinder – zu Vorerben bzw. Vorvermächtnisnehmern und wechselseitig oder deren Kinder bzw. andere eigene Verwandte zum Nacherben bzw. Nachvermächtnisnehmern eingesetzt werden. Auch in diesem Falle würde das Sondervermögen nicht im Falle des Todes des Kindes als Vorerben an den geschiedenen Ehegatten fallen, sondern an den eingesetzten Nacherben.
Denkbar ist auch, dass der Erblasser verhindern möchte, dass der Sozialhilfeträger auf den Pflichtteil des behinderten Erben zugreift, weshalb dieser zum nicht befreiten Vorerben bzw. Vorvermächtnisnehmer jeweils unter Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung und die nicht behinderten Kinder oder andere, denen die Erbschaft letztlich zukommen soll, zum Nacherben bzw. Nachvermächtnisnehmern berufen werden. Hier sind auch andere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar.
Verjährungsvereinbarung
Ehegatten mit gemeinsamen oder einseitigen Kindern wollen verhindern, dass allein die drohende Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gemeinsam oder einseitige Kinder zu einer Geltendmachung des Pflichtteils motiviert. Hier kann der Anspruch auf Abschluss einer entsprechenden Verjährungsvereinbarung vermacht werden, welcher bereits durch seine Vorwirkung den Eintritt der Verjährung hindert.
Anfechtungsausschluss wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten
Im Falle einer Wiederverheiratung könnte der zweite Ehegatte eine frühere Verfügung seines Ehegatten anfechten, da er erst nach der Errichtung pflichtteilsberechtigt wurde. Durch eine entsprechende Klarstellung in der Verfügung von Todes wegen kann erreicht werden, dass diese Anfechtungsmöglichkeit ausgeschlossen ist.
Gesellschaftsrechtliche Gestaltung
Insbesondere im Personengesellschaftsrecht können durch gesellschaftsvertragliche Gestaltungen Pflichtteilsansprüche für den Fall des Todes eines Mitgesellschafters ausgeschlossen bzw. beschränkt werden. Dies gilt z.B. für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Bei Handelsgesellschaften (z.B. GmbH) sind solche Gestaltungen nicht möglich. Gleichwohl sollten auch hier entsprechende Regelungen im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Nachfolgegestaltung aufgenommen werden.
Nachlassspaltung
Grundsätzlich kann bei Vorliegen der Voraussetzungen auch durch die Wahl einer Rechtsordnung, die kein Pflichtteilsrecht oder eine weniger weitgehend ausgestaltete zwingende Beteiligung nächster Angehöriger im Nachlass kennt, sollten Ansprüche nach Deutschem Recht vermieden werden.
5.) Was ist zu tun, wenn jemand verstorben ist?
Neben den üblichen Formalitäten, die in einem Todesfall immer abgewickelt werden müssen (Information des Arztes, Beauftragung eines Beerdigungsinstitutes, Mitteilung an das Standesamt, etc.) ergeben sich auch im Hinblick auf die Nachlassregelung einige Formalitäten:
Wer im Besitz eines Testaments des Erblassers ist, ist verpflichtet, es beim Nachlassgericht bzw. in Baden-Württemberg beim nächsten Notariat abzuliefern. Zuständig ist dasjenige Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Verstorbene zuletzt seinen Wohnsitz hatte.
Jedes aufgefundene Testament muss also abgeliefert werden. Wie so oft gehen an diesem Punkt aber Gesetzesvorschrift und Realität häufig auseinander. Es gibt immer wieder Testamente, die demjenigen, die sie findet gar nicht gut gefallen. Wenn der Erblasser befürchtet, sein privat aufbewahrtes Testament könne eventuell vom "Falschen" gefunden werden und dann eventuell nicht abgeliefert werden, kann sich die Hinterlegung des Testaments beim Gericht oder die Errichtung eines notariellen Testaments empfehlen.
Ein beim Nachlassgericht vorliegendes Testament wird im Rahmen einer offiziellen "Nachlassverhandlung " eröffnet. Parallel dazu versucht – zumindest in Bayern – das Nachlassgericht schon vor Eröffnung des Testamentes zu klären, wer gesetzlicher Erbe des Verstorbenen geworden sein könnte. Alle mutmaßlichen gesetzlichen Erben werden zur Testamentseröffnung geladen. Erscheinen ist nicht Pflicht.
Nach der Eröffnung weiß jeder Betroffene, ob ihn der Erblasser zum Erben bestimmt hat oder nicht. An diesem Punkt müssen Entscheidungen getroffen werden: Soll die Erbschaft angenommen oder innerhalb der geltenden Fristen ausgeschlagen werden? Besteht die Möglichkeit der Anfechtung eines unliebsamen Testaments? Der Erbe, der sich schließlich entschließt, dass Erbe anzunehmen, sollte sodann unverzüglich einen Erbschein beantragen, soweit ein solcher erforderlich erscheint.
Nach deutschem Erbrecht geht der Nachlass auf den Erben über, ohne dass ein Gericht insoweit mitwirkt. Somit ist der Erbe grundsätzlich berechtigt, auch ohne Erbschein über den Nachlass zu verfügen. Allerdings ist es oftmals nötig, dass Sie Ihre Erbenstellung auch beweisen - hierzu dient der Erbschein.
Ein Erbschein dokumentiert die Erbenstellung. Jeder dem Sie den Erbschein vorlegen, kann sich auf die Richtigkeit des Erbscheins verlassen (sog. "öffentlicher Glaube", vgl. § 2366 BGB). Befindet sich im Nachlass eine Immobilie, so ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt Anhand eines Erbscheins zu führen (vgl. § 35 Abs. 1 Grundbuchordnung - GBO). Besteht ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag, so genügt es regelmäßig, dass diese Verfügungen nebst dem Eröffnungsprotokoll vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 GBO). Für den Nachweis Banken und Versicherungen ist die Vorlage des Testaments mit Eröffnungsvermerk in der Regel ausreichend. Die Bankenpraxis ist insofern aber uneinheitlich. Einen Erbschein benötigen Sie aber i.d.R., wenn a) kein Testament vorhanden ist, b) ein Grundstück zum Nachlass gehört und nur ein privatschriftliches Testament vorhanden ist und c) wenn der Inhalt des Testaments nicht eindeutig ist.
Bei Auslandsvermögen benötigen Sie nicht unbedingt einen Erbschein. In manchen Ländern, z.B. Spanien (mehr Informationen), wird ein deutscher Erbschein anerkannt, ist aber nicht in jedem Fall erforderlich. In anderen Ländern, z.B. USA, Kanada oder Südafrika, wird ein deutscher Erbschein nicht anerkannt. Wir sind Spezialisten für internationale Nachlassabwicklungen - fragen Sie uns!
Zuständig für die Erteilung des Erbscheines ist ebenfalls das Amtsgericht - Nachlassgericht - (§ 2353 BGB) am letzten Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Erblassers (§ 73 I FGG). Hatte der Erblasser keinen Wohnsitz in Deutschland, so ist das Amtsgericht Schöneberg zuständig.
Der Erbscheinantrag kann, muss aber nicht zwingend notariell beurkundet werden.
Allerdings müssen Sie die Richtigkeit Ihrer Erklärungen im Grundsatz an Eides Statt versichern. Das Nachlassgericht kann aber auf Antrag auf die Versicherung an Eides Statt verzichten. Dies führt zu einer Halbierung der Kosten. Wenn Sie gesetzlicher Erbe sind, müssen Sie – zum notariellen Beurkundungstermin oder zum Gericht - mehrere Unterlagen mitbringen, um das Verwandschaftsverhältnis nachzuweisen. Benötigt wird Ihr Personalausweis, die Sterbeurkunde und das Familienstammbuch. Sie müssen Angaben darüber machen, welche Personen noch vorhanden sind, die unter Umständen als Erben in Betracht kommen, wie z.B. Eltern, Geschwister, Kinder etc. Sie müssen auch angeben, ob eventuell ein Testament oder ein Erbvertrag geschlossen oder ob zur Zeit ein Rechtsstreit über das Erbe läuft.
Das Nachlassgericht muss allein anhand Ihrer Unterlagen im Erbscheinsverfahren das Verwandschaftsverhältnis mit dem Verstorbenen prüfen können. Es stellt fest, ob Sie gesetzlicher Erbe sind und in welcher Höhe Ihnen der Anteil am Erbe zusteht. Daraufhin wird Ihnen der Erbschein ausgestellt. Sind Sie nicht gesetzlicher Erbe, weil ein Testament oder Ehevertrag besteht, so müssen Sie zudem dieses Schriftstück - also das Testament oder den Ehevertrag - dem Nachlassgericht vorlegen. Sollten Sie Kenntnis von anderen Verfügungen von Todes wegen haben, so müssen Sie dies mitteilen.
Wie muss ich den Erbscheinsantrag formulieren?
Das Nachlassgericht ist an den jeweiligen Antrag gebunden und darf keinen anderen als den beantragten Erbschein erteilen (Palandt/Edenhofer, BGB, § 2353 Rn. 21). Der Antrag sollte daher sehr vorsichtig formuliert werden, um eine teure Abweisung zu vermeiden. Zu unterscheiden sind der Antrag bei gesetzlicher Erbfolge und bei Vorliegen eines Testaments.
Das Erbscheinsverfahren ist in den §§ 2353 ff. BGB geregelt. Hiernach wird zwischen folgenden Erbscheinarten unterschieden:
(1) Erbschein für den Alleinerben (vgl. §§ 2353 1. Halbsatz BGB)
(2) Teilerbschein (vgl. §§ 2353 2. Halbsatz BGB)
(3) Gegenständlich beschränkter Erbschein (vgl. § 2369 BGB)
(4) Gemischter Erbschein (vgl. §§ 2353 BGB)
(5) Gemeinschaftlicher Erbschein (vgl. §§ 2357 BGB)
(6) Gemeinschaftlicher Teilerbschein
(7) Eigenrechtserbschein
(8) Fremdrechtserschein
Kommt deutsches Erbrecht zur Anwendung, ist ein Eigenrechtserbschein bzw. ein gegenständlich beschränkter Eigenrechtserbschein für den nach deutschen Erbrecht vererbten Nachlass gemäß § 2353 BGB zu erteilen. Im gegenständlich beschränkten Eigenrechtserbschein ist die gegenständliche Beschränkung deutlich zu machen (vgl. Palandt/Edenhofer § 2353 BGB, Rdnr. 3).
Die Kosten eines Erbscheins ergeben sich aus der Kostenordnung (KostO). Dabei kommt es auf den reinen Nachlasswert an, §§ 18, 19, 107 KostO.
Der Fachanwaltslehrgang umfasst insbesondere folgende Gebiete:
Das erbrechtliche Mandat; berufsrechtliche Fragen; Annahme/Ausschlagung der Erbschaft; Bezüge zum Familienrecht; Pflichtteilsrecht; Anspruch, Berechnung, Verfahren Erbengemeinschaft; Verwaltung und Teilung des Nachlasses; Erbenhaftung; Nachlassverwaltung; -insolvenz, -pflegschaft Testaments- und Vertragsgestaltung; Auslegung und Gestaltung; Vermächtnisse; Vor- und Nacherbfolge; Gemeinschaftliches Testament Vorweggenommene Erbfolge; Bezüge zum Sozialrecht; Bezüge zum Schuldrecht (Banken, Versicherungen etc.); Internationales Erbrecht Testamentsvollstreckung; Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung. Der Fachanwalt für Erbrecht steht Ihnen als kompetenter Ansprechpartner zur Seite.